Smart City und das Lagebild des Einzelkämpfers: Warum Kommunen bei der Digitalisierung stocken
Viele Städte wollen zur Smart City werden, doch in den Verwaltungen bleibt die digitale Transformation oft an Einzelpersonen hängen. Ein aktuelles Lagebild aus der Praxis zeigt, wie stark Kommunen von wenigen engagierten Fachleuten abhängen – und welche strukturellen Defizite dahinterstehen. Zwischen ambitionierten Strategien, knappen Ressourcen und politischen Erwartungen entsteht ein Spannungsfeld, das die Modernisierung der Stadtentwicklung bremst.
Smart City als Dauerprojekt: Hohe Erwartungen, wenig Struktur
In zahlreichen Kommunen gilt die Smart City als Leitbild für die Zukunft: vernetzte Infrastrukturen, datenbasierte Entscheidungen, digitale Bürgerdienste. Auf dem Papier existieren Strategien, Förderprogramme und Modellprojekte. In der Praxis zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Die Umsetzung wird häufig von einer einzelnen Person oder einer sehr kleinen Einheit getragen, die komplexe Aufgaben gleichzeitig stemmen soll – von der Projektsteuerung über die Koordination mit Fachämtern bis hin zur Kommunikation mit der Politik.
Diese Konstellation macht die Smart-City-Entwicklung anfällig. Fällt die zentrale Person aus oder wechselt den Job, drohen Projekte zu stocken oder ganz zu versanden. Langfristige Planung und Verstetigung geraten so ins Hintertreffen. Statt eines systematisch aufgebauten Programms entsteht ein Flickenteppich aus Insellösungen, Pilotprojekten und kurzfristigen Initiativen.
Der „Einzelkämpfer“ im Rathaus: Rollen, Belastungen, Grenzen
Das Lagebild beschreibt einen typischen Typus: den Smart-City-Beauftragten, der als Schnittstelle zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft agiert. Diese Person soll Innovationen anstoßen, Fördermittel einwerben, Vergaben begleiten, technische Fragen moderieren und zugleich interne Prozesse verändern. Oft geschieht dies ohne klar definiertes Mandat, ohne ausreichendes Budget und ohne stabiles Team.
- Hohe Verantwortung bei geringer personeller Ausstattung
- Unklare Zuständigkeiten zwischen Fachämtern und Projektstellen
- Ständige Abstimmung mit wechselnden politischen Prioritäten
- Parallel laufende Förderlogiken von Bund und Ländern
Die Folge: Viele dieser Einzelkämpfer arbeiten an der Belastungsgrenze. Strategische Aufgaben bleiben liegen, weil das Tagesgeschäft dominiert. Verwaltungsinterne Widerstände, komplexe Vergaberegeln und lange Entscheidungswege verstärken den Druck zusätzlich.
Strukturelle Schwächen der Stadtentwicklung: Von Projektlogik zu Programmlogik
Die Smart-City-Entwicklung leidet weniger an Ideenmangel als an Strukturen. Förderprogramme setzen häufig auf zeitlich befristete Projekte, die zwar Innovation ermöglichen, aber selten nachhaltig in die Stadtentwicklung eingebettet werden. Nach Ablauf der Förderphase fehlt es an Ressourcen, um erfolgreiche Ansätze in den Regelbetrieb zu überführen.
Statt einer verlässlichen Programmlogik dominieren kurzfristige Projektzyklen. Dies erschwert den Aufbau von Kompetenzen und stabilen Teams. Zudem konkurrieren Smart-City-Vorhaben mit anderen Pflichtaufgaben der Kommunen – etwa im Bau, in der sozialen Infrastruktur oder im Klimaschutz. Ohne verbindliche Verankerung in der Verwaltungsorganisation bleiben digitale Stadtentwicklung und Smart City ein „Add-on“, das von engagierten Einzelpersonen getragen wird.
Kooperation und Governance: Wie Smart City aus der Nische kommt
Um die Abhängigkeit von Einzelkämpfern zu verringern, rücken Governance-Fragen in den Vordergrund. Kommunen, die Smart-City-Prozesse erfolgreich verstetigen, setzen auf klare Zuständigkeiten, interdisziplinäre Teams und politische Rückendeckung. Wichtig ist eine verbindliche Einbindung der Fachämter, damit digitale Lösungen nicht isoliert entstehen, sondern Teil der integrierten Stadtentwicklung werden.
Empfehlenswert sind insbesondere:
- Aufbau dauerhafter Stellen und Teams für digitale Stadtentwicklung
- Frühe Einbindung von IT, Stadtplanung, Beteiligung und Finanzen
- Transparente Entscheidungsstrukturen zwischen Verwaltungsspitze und Politik
- Kooperation mit Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft
So kann aus dem individuellen Engagement ein institutionalisierter Prozess werden, der weniger krisenanfällig ist und langfristige Ziele verfolgt.
Perspektiven für die kommunale Digitalisierung
Das Lagebild des Einzelkämpfers macht deutlich, dass die Zukunft der Smart City nicht allein von technischen Lösungen abhängt. Entscheidend sind Verwaltungsorganisation, Personalpolitik und politische Prioritätensetzung. Kommunen, die ihre Stadtentwicklung konsequent digital denken, müssen Strukturen schaffen, in denen Wissen gesichert, Verantwortung geteilt und Projekte verstetigt werden.
Die zentrale Herausforderung besteht darin, den Übergang von projektgetriebener Innovation zu einer dauerhaft verankerten, strategischen Smart-City-Politik zu schaffen. Nur dann wird aus der Vision einer vernetzten, lernenden Stadt ein belastbares Programm, das Krisen übersteht und den Alltag der Bürgerinnen und Bürger spürbar verbessert.
Quellen und weiterführende Informationen
Weitere Hintergründe und Analysen zur digitalen Stadtentwicklung und Smart City finden sich unter anderem hier:
- https://www.tagesspiegel.de
- https://www.bbsr.bund.de
- https://www.bertelsmann-stiftung.de
- https://www.koerber-stiftung.de
- https://www.staedtetag.de
Quelle: Tagesspiegel Background

